Bauern rücken zu Zehntausenden in Delhi ein

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Die Regierung hatte den Bauern eine Verdoppelung des Einkommens versprochen, stattdessen sinkt es immer weiter. Und jetzt werden auch noch die Preise freigegeben.

David PfeiferPubliziert: 27.11.2020, 17:32

Den Schutz der Bauern aufgehoben: Farmer protestieren gegen das neue Gesetz zur Liberalisierung der Landwirtschaft.

Den Schutz der Bauern aufgehoben: Farmer protestieren gegen das neue Gesetz zur Liberalisierung der Landwirtschaft. Foto: Danish Siddiqui (Reuters)

Der Konflikt zwischen den indischen Bauern und der Regierung erreichte Delhi von mehreren Seiten gleichzeitig. Am Freitagmittag meldeten indische Nachrichtenportale, dass die Polizei von Delhi den Protestierenden Einlass in die Hauptstadt gewährt. Vermutlich auch gewähren musste. Allein an der Grenze zwischen Punjab und Delhi hatten sich bis zu dem Zeitpunkt Zehntausende Demonstranten eingefunden, mit Wagen und Zelten, es sah aus, als komme da ein riesiger Siedlertreck.

Die dramatischen Bilder an den diversen Provinzgrenzen laufen seit Mittwoch im indischen Fernsehen. Zuerst wurden Demonstranten mit Barrikaden und Stacheldraht gebremst und mit Wasser und Tränengas beschossen, während ihre Traktoren und Lieferwagen Strassen und Brücken blockierten. Selten sah man dabei einen Mundschutz.

Der Staat arbeitet wie ein Grosshändler

Ausgelöst wurden die Proteste durch neue Gesetze, die einen jahrzehntelangen Schutz der Bauern aufheben: Schon im September hatte die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) bekannt gegeben, dass der Staat künftig quasi wie ein Grosshändler die Preise regelt. Die Reform führt dazu, dass der Verkauf, die Preisgestaltung und die Lagerung von Landwirtschaftsprodukten liberalisiert werden.

Dabei war die BJP 2014 auch mit dem Versprechen wieder an die Macht gekommen, die Zukunft der Bauern zu sichern. Die Mindestpreise sollten erhöht, ihr Einkommen bis zum Jahr 2022 verdoppelt werden. Tatsächlich aber sank das Einkommen der Bauern, trotz Rekordernten in den Jahren 2019 und 2020. Es kam zu Protesten, bei denen medienwirksam Ernten verbrannt wurden. Etwa 150 Millionen Bauern gibt es in dem riesigen Land.

Die Polizei musste schliesslich kapitulieren: Die indischen Bauern zogen am Freitag in der Hauptstadt Delhi ein.

Die Polizei musste schliesslich kapitulieren: Die indischen Bauern zogen am Freitag in der Hauptstadt Delhi ein. Foto: Rajat Gupta (EPA)

Die Regierung wollte die neuen Gesetze zunächst als Freiheiten verkaufen, da die Bauern nun selbstständig die Preise gestalten könnten. Doch die Protestierenden fürchten, dass der unregulierte Handel dazu führen wird, dass die Grossbauern sich bei den Konzernen mit Dumpingpreisen unterbieten werden und die kleinen Betriebe nicht mehr wettbewerbsfähig sind.

So sieht es auch die Opposition und sogar Teile der BJP. Auch Rahul Gandhi, Enkel von Indira Gandhi und Urenkel von Indiens erstem Premierminister Jawaharlal Nehru, bekundete Sympathien für den Bauernaufstand auf Twitter, unter dem Hashtag #Imwithfarmers. Gandhi möchte wieder Vorsitzender der oppositionellen Kongresspartei werden.

Unter den indischen Bauern wurden 10’281 Selbstmorde allein für das Jahr 2019 registriert.

Seit September campieren die Bauern in den Bundesstaaten Haryana, Uttar Pradesh und Uttarakhand, die alle drei von der BJP regiert werden. Mehr als 100 Anführer wurden in den vergangenen Tagen vorläufig festgenommen, um den Protest nicht eskalieren zu lassen. Offensichtlich ohne Erfolg. Bis zum Donnerstag hatten sich Zehntausende auf den Weg zum Regierungssitz gemacht.

Der «Indian Express» schrieb: «Die Zahlen werden über Nacht weiter steigen, denn schon sind Tausende Traktoren und Zugwagen aus dem inneren Punjab-Gebiet auf dem Weg, in denen die Bauern, ihre Frauen und ihre Kinder sitzen.»

Ohne Sieg werden sie nicht weichen

Der Freitagmorgen begann dann damit, dass die ersten Protestierenden Barrikaden überwanden, die die Polizei um Delhi herum aufgebaut hatte. Das Onlinemagazin «The Scroll» schrieb, dass unter den indischen Bauern 10’281 Selbstmorde allein für das Jahr 2019 registriert worden seien. Eine Anfrage an die Regierung, wie sich die Zahl in diesem Sommer entwickelt hat, nachdem Hunderttausende Wanderarbeiter wegen der Corona-Pandemie zunächst im Lockdown strandeten und das Virus dann in die Provinzen trugen, blieb unbeantwortet.

Schliessich übertraten die Demonstranten die Stadtgrenze nach Delhi, um ihren «friedlichen Protest» auszudrücken, wie die Polizei mitteilte. Sie dürfen sich im Nirankani-Park versammeln, der 230’000 Quadratmeter gross ist, etwa so wie 30 Fussball- oder 15 Cricketfelder. Und es ist nicht anzunehmen, dass die Bauern die Hauptstadt wieder verlassen werden, ohne einen Sieg mitzunehmen.

Publiziert: 27.11.2020, 17:32

Source: https://www.bernerzeitung.ch/bauern-ruecken-zu-zehntausenden-in-delhi-ein-388065124022

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